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Bei "Don Juan" zählt das Gefühl
Die
Duisburger Künstlerin Bettina Rutsch tanzt E. T. A. Hoffmanns
Erzählung: Eine Begegnung mit
Mozarts Donna-Anna-Figur. Performance
in der Kantine des Stadttheaters ist ein besonderes Erlebnis
Die
Kaffeemaschine
brummt sanft vor sich hin, durch die Milchglasfenster leuchten hin
und wieder die
Scheinwerfer der Autos, die über die Moselstraße
rollen. Montagabend in der Kantine des Duisburger
Stadttheaters, vom
Gefühl her weder Ort noch Zeit für einen
Theaterabend. Es wird ein
ganz eigenes
Theatererlebnis.
"Don
Juan –
Opera e Motion" der Tänzerin und Choreografin Bettina Rutsch
passt
mit all seinen Eigenarten
hervorragend in diese seltsame Zeit der
Pandemie wütet. Weg von der Gewohnheit, weg vom Inhalt, das
ist die
Devise in der Kantine, denn die Handlung des gut einstündigen
Abends
ist eher Nebensache:
Was zählt, ist das Erlebnis - und das ist
bezaubernd.
Gut 25 Besucher
tummeln sich in der Theaterkantine, mit genügend Abstand und
ständig
mit Maske. Als alle mit
Getränken von der Bar versorgt sind, die bei "Don Juan"
gefühlt Teil der Bühne ist, legt Tänzerin
Bettina
Rutsch
los – mit dem Kopf auf dem Tisch, umgeben von leeren Wein-
und Bierflaschen. Dass sie mit diesem trostlosen
Bild die
Corona-Katerstimmung der letzten Wochen und Tage passend
einfängt,
mag Zufall sein, veredelt den
Abend aber zusätzlich.
Die Handlung ist
schnell erklärt. E. T. A. Hoffmanns Erzählung von
einem
begeisterten Opernfan, der Mozarts
"Don Giovanni" (spanisch: Don
Juan) erlebt – in Deutschland überraschenderweise im
originalen
Italienisch –
dreht sich grob um die Ausleuchtung der Rolle der
Donna Anna, die plötzlich in der Loge der Hauptfigur steht.
Daraus
macht die Tänzerin Bettina Rutsch ein urgewaltiges
Theatererlebnis.
"Ein
Erlebnis":
So sehr wie dieser Ausdruck von der Werbeindustrie durch den
Fleischwolf gedreht wurde, so
sehr passt er in seinem ursprünglichen Sinne
auf diesen "Don Juan". Bettina Rutsch flüstert und grummelt,
erstarrt und zappelt mit allen Gliedmaßen, ist mal sie selbst
und
mal - in den Masken der Duisburger Designerin
Anna Termöhlen –
Donna Anna oder Don Giovanni. Die Theaterkantine bebt vor lauter
Kunst.
Natürlich
blitzen
immer wieder Themen der Originalerzählung durch
den schauspielerisch-tänzerischen Schleier.
Die Werktreue, gerade Walter
Benjamins "Aura"-Begriff, ist elementarer Bestandteil, aber es
ist das audiovisuelle
Erlebnis, das den Besucher fesselt. Erzählung,
Tanz, Mozart-Medley aus den Boxen: Mit zusammengefügten
Orchesterschnipseln wird Oper zum Popevent im besten Sinne.
Vielleicht meinte Leonard Bernstein das,
als er sagte: "Mozart
stays fresh".
"Mein ganzes Leben
ist Musik", sagt die Bühnen-Donna-Anna passend dazu, denn die
Musik ist der Star, auch
wenn der Duisburger "Don Juan" im Grunde
eine Tanz-Erzählung ist. In der nüchternen
Theaterkantine offenbart
die Musik des vielleicht größten Komponisten aller
Zeiten eine
Magie, die sie im großen Saal wahrscheinlich nicht
offenbaren könnte
– eine Reduzierung auf das musikalisch Wesentliche, das jedem
Besucher ganz und gar
selbst gehört. Eine uneingeschränkte
Empfehlung.
WESTDEUTSCHE
ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 28.
Oktober 2020
Ein Maskenspiel vor Maskenpublikum
Im
Duisburger Theater ging jetzt die Dreifach-Premiere von Bettina
Rutschs "Don Juan"
über die Bühne.
Jetzt
ist sie raus
und dazu gelungen, die Dreifach-Premiere der Duisburger
Tänzerin und
Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch, nachdem diese im
März
aufgrund von Corona abgesagt werden
musste. Doch auch jetzt ist von
erhoffter Theaternormalität nichts zu spüren.
Und so musste die
Premiere vom "Don Juan" nach einer Erzählung von Ernst Theodor
Amadeus
(kurz: E. T. A.) Hoffmann am Montag im Duisburger Theater in
der dortigen Kantine von Pächterin
Petra Grothe stattfinden. Das war
zwar gewollt und ebenso eine Premiere, da an diesem Ort des
Stadttheaters bisher noch nie Tanz oder Theater oder – wie in
diesem Falle – Tanztheater stattgefunden
hat. Premiere Nummer drei
war dann das von Rutsch neu arrangierte Inszenierungsformat "Opera
e Motion"
– eine Art Opernführer live –, das
"große Opern
auf kleinem Raum erzählt und ertanzt", wie Rutsch es
formuliert.
Mit
dem Stoff des
spanischen "Don Juan" beziehungsweise italienischen
"Don
Giovanni", dem in der
europäischen Dichtung einzigartig
vorkommenden Prototyp eines Frauenhelden, haben sich namhafte
Künstler
auseinandergesetzt, darunter die Komponisten Wolfgang
Amadeus Mozart ("Don Giovanni", 1787) und Richard
Strauss ("Don
Juan", 1889) sowie die Schriftsteller Christian Dietrich Grabbe
("Don Juan und Faust", 1828),
Ödön von Horváth ("Don Juan
kommt aus dem Krieg", 1937) und Max Frisch ("Don Juan oder Die
Liebe
zur Geometrie", 1953).
Neben der Vorlage
von E. T. A. Hoffmanns "Don Juan. Eine fabelhafte
Begebenheit, die
sich mit einem reisenden
Enthusiasten zugetragen", einer
romantischen Künstlernovelle von 1813, verwendet Bettina
Rutsch auch
kurze
Auszüge aus anderen Texten seiner sogenannten
"Fantasiestücke
in Callots Manier". Aus diesem Konvolut baut
sie sich geschickt
ihren Spieltext, kreiert einfallsreich eine dazu passende
Choreografie und fügt alles gut
durchdacht zu einer äußerst
geschlossenen Inszenierung zusammen. Das Ergebnis sind drei
Handlungsebenen
als Erzählstränge.
Da ist zum einen die
Geschichte vom reisenden Enthusiasten, der die Darstellerin der Donna
Anna in Mozarts Oper
"Don Giovanni" bewundert und verehrt. Von
dieser erzählt der Reisende seinem Freund Theodor in einem
Brief.
Auf der zweiten
Ebene gibt es den Hoffmannschen Ich-Erzähler, jenen reisenden
Enthusiasten also, der einerseits
davon berichtet, was sich in seinem
Hotelzimmer ereignet, mehr noch aber was von wem an der Wirtstafel in
dem Hotel gesprochen und diskutiert wird. Diese Alltagsebene dient
aber lediglich als eine Art "Kontrastmittel"
für die eher
dominierende phantastische Ebene.
Denn von dieser
berichtet der Erzähler andererseits davon, was er von einer
Fremdenloge eines an das Hotel
grenzenden Provinztheaters aus alles
sieht und sich anschließend dort beziehungsweise anderswo
zuträgt.
Im dritten Erzählstrang schließlich gibt es eine
Beschreibung der
Opernhandlung selbst, wobei die Protagonisten
Don Giovanni (ein
junger Lebemann) und Donna Anna (Tochter des Komturs und Braut von
Don Ottavio) im
Vordergrund stehen, während die übrigen
Hauptpersonen – Leporello (Don Giovannis Diener), Der Komtur
(Donna
Annas Vater), Don Ottavio (Donna Annas Verlobter), Donna Elvira (Don
Giovannis ehemalige Geliebte),
Zerlina und Masetto (ein bäuerliches
Brautpaar) – nur beiläufige Erwähnung
finden.
Schauspielerisch,
tänzerisch und musikalisch in Szene gesetzt
präsentiert sich
Bettina Rutsch als wahre
Verwandlungskünstlerin: Mal ist sie
Ich-Erzähler und Kellner im Hotelzimmer, mal – durch
verschiedene
Masken –
"Don Giovanni" und "Donna Anna", wieder ein
anderes Mal ist sie Figurenspielerin mittels Flaschen von den
Tischgesprächen an der Wirtstafel im Hotel. Schlussendlich
mimt
sie ebenfalls maskenhaft den diabolisch-
dreinschauenden Tod und
schafft damit ein besonders beeindruckendes Moment der
Aufführung.
Doch manchmal
sind es die eher kleinen Details am Rande, die große
Ausstrahlungskraft haben, seien es die flatternden Hände
für das
Herzflattern Donna Annas oder der unmissverständliche
Fingerzeig des
Todes als Symbol für die ablaufende
Lebenszeit Don Giovannis.
Dass diese Gesten,
Posen und Bewegungen einschließlich teils
außergewöhnlicher
Tanzschritte und klassischer
Ballettpositionen hier zu großer
nonverbaler Erzählkunst führen, verdankt das
Tanztheaterstück der
Solistin des
Abends, aber auch dem genialen Kostümbild der
Duisburger Modedesignerin Anna Termöhlen, die Bettina Rutsch
– wie
schon in fünf Produktionen zuvor – nun auch beim
"Don Juan"
ein erneut höchst variantenreiches und
ungeheuer verwandlungsfähiges
Kostüm, einschließlich drei Masken (Don Giovanni,
Donna Anna und
der Tod),
entwarf und schneiderte. Das aus überwiegend
Jersey, aber auch Baumwolle bestehende Hauptkleidungsstück
ist
nämlich mal Bluse, mal Trägerhemdchen, mal
hemdartiger Kittel und
mal mit und mal ohne (schwarzem)
Kragen zu sehen.
Bei den am Montag
und Dienstag gegebenen Doppelvorstellungen wegen Corona jeweils nur
zugelassenen 24
Besuchern war eine große Begeisterung für die
gezeigte Inszenierung zu spüren. Sie wurde seitens des
Publikums,
das die rund einstündige Aufführung maskiert ansehen
musste, mit
langanhaltendem Schlussapplaus
zu Recht belohnt.
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Performance im Lehmbruck-Museum: Physik trifft auf Poesie
Soviel
vorweg: Mit der Premieren-Inszenierung "Time Domain" am
Donnerstagabend im Lehmbruck Museum
schließt die Duisburger Tänzerin
und Literaturperformerin Bettina Rutsch an ihre zuletzt so
erfolgreichen
Tanztheaterarbeiten "Schlaf der Vernunft" (2015), "Blei zu Gold" (2016)
und "Danse de la Nuit" (2017) nahtlos
an. Doch wie schon teils in den Jahren zuvor, bleibt es (leider) auch
bei diesem (löblich) durch den Kulturbeirat
der Stadt Duisburg
geförderten Projekt (vorerst) bei nur einer (total
ausverkauften)
Aufführung in der Stadt.
Diesem für alle Beteiligten (Künstler,
Publikum, Förderer) unguten Tatbestand sollte die
städtische
Kulturverwaltung (möglichst in Verbindung mit der
Kulturpolitik) im
Interesse aller einmal nachgehen.
Die
mit großer Kompetenz und Leidenschaft ausgestattete
Künstlerin, die
seit fast 25 Jahren zahlreiche
Produktionen im Bereich Tanz,
Literatur und Theater entwickelt und auf die Bühne bringt,
(er)findet immer
neue interdisziplinäre Konstellationen für ihre
anspruchsvollen Arbeiten. Bei "Time Domain" einem "Projekt über
die Zeit", stellt sie nun Symbiosen zwischen Architektur und Musik,
Bildender Kunst und Tanz, Physik und
Poesie her und verbindet alles
choreografisch zu einer szenischen Installation. In dem
atriumähnlichen
Untergeschoss des Neubaus im Lehmbruck Museum hat
sie die Fläche zwischen der Bodenskulptur
"War – Vietnam-Piece"
von Duane Hanson und der kinetischen Plastik "Märchenrelief"
von
Jean Tinguely
gewählt, während die Zuschauer auf der
tribünenartigen Bestufung Platz nehmen.
Und
natürlich sind die Kunstwerke Gegenstand ihres Tanztheaters um
Raum
und Zeit. "Denn was ist Zeit?
Wer könnte das leicht und kurz
erklären? Wer es denkend erfassen, um es dann in Worten
auszudrücken?",
beginnt Rutsch mit den Sätzen Aurelius Augustinus
(354 bis 430) zu fragen. Im Laufe des Abends spricht
Rutsch teils
semiotisch vorgetragen weitere Texte, darunter von Rose
Ausländer,
Clemens Brentano,
Martin Heidegger, Hugo von Hofmannsthal und Günter
Kunert. "Welches Jahrhundert hatten wir heute?",
fragt letzterer
in seinem "Abendgedicht" (1980).
Um
das und anderes zu beantworten wird die Physik, in Person von Axel
Lorke, Professor für Experimentalphysik
an der Universität
Duisburg-Essen, bemüht. Dieser spricht im Gegensatz zur Poesie
wissenschaftlich
(und trotzdem verständlich) über unseren Erdball
als Taktgeber sowie von der Umkehrbarkeit und
Unumkehrbarkeit der
Zeit. Von der Architektur des Museums ergriffen und diese in Beschlag
genommen agiert
das sensationell aufspielende Klarinettenduo Beate
Zelinsky und David Smeyers von verschiedenen Positionen
des Atriums
aus. So klingen die Werke von Nikolaus Brass oder Paul Jeanjean
beispielsweise akustisch jeweils
anders. Nicht unerwähnt bleiben
darf das Kostümdesign der Duisburger Modeschöpferin
Anna Termöhlen,
die
seit 2015 mit Rutsch zusammenarbeitet und ihr diesmal ein
hellgraues Körperteil mit zwei auffälligen schwarzen
Längsstreifen
entwarf.
RHEINISCHE POST Duisburg, 1. Dezember 2018
Einstündige Reise durch Zeit und Raum
Bei "Time Domain" tritt neben Bettina Rutsch auch ein Professor für Experimentalphysik auf
Im
letzten Jahr ist Bettina Rutsch beim "Danse de la Nuit" der
Faszination der Nacht und dem tanzenden
Sonnenkönig Ludwig XIV. gefolgt. Jetzt widmet sich die
Duisburger Tänzerin, Choreographin
und
Literaturwissenschaftlerin mit Texten von Augustinus und
Heidegger, mit Gedichten von Rose Ausländer und
Clemens Brentano der
Frage, was es mit der Zeit auf sich hat. Zur Premiere der Performance
"Time Domain"
im Lehmbruck-Museum mussten zusätzliche Stühle
aufgestellt werden.
Zwar
fiel die Video-Installation der erkrankten Martina Pipprich aus, aber
die Kunst ist hier so stark, dass
es eigentlich keiner weiteren Bilder
bedarf. Die Aufführung spielt im Anbau neben einer
skurril-komischen
Tinguely-Maschine, die zweimal in Bewegung gesetzt wird und damit
einen eigenen Kommentar zum
Vergehen der Zeit liefert.
Das
Klarinettenduo Beate Zelinsky und David Smeyers spielt stimmungsvolle
Werke von Hildegard von Bingen
über Bach bis hin zu Joachim Krebs
(1952-2013), die auch die Bedeutung von Pausen spürbar machen,
und
Axel Lorke, Professor für Experimentalphysik an der
Universität
Duisburg-Essen, erklärte in anschaulichen
Bildern, wie die
Zeitmessung immer genauer wurde und warum die Zeit sich nicht umdrehen
lässt.
Bettina
Rutsch beginnt das einstündige Nachdenken über und
Eintauchen in
dieses so schwierig zu fassende
Phänomen mit einem längeren
philosophischen Text über die Zeit, macht spürbar,
wie Vergangenheit und
Zukunft über das Jetzt verbunden sind. Ihre
tänzerischen Bewegungen erinnern an ein Pendel oder ein
Zifferblatt,
es gibt schnelle, mechanische Bewegungen und "Zeitlupen"-Bilder.
Sie rezitiert Gedichte, die das
Nachdenken über die Zeit und die
Vergänglichkeit in wunderbare Worte fassen. Bettina Rutsch
legt sich
auf
dunkelseidenen Tüchern zur Ruhe (Kostümdesign Anna
Termöhlen),
nimmt Denkerposen ein, und lässt schließlich
die Gedanken fliegen.
Das Publikum folgt konzentriert. Großer Beifall.
Bettina
Rutsch feierte mit ihrem neuen Tanzabend Premiere im Kindermuseum
"Explorado"
am Innenhafen:
Ein faszinierender
künstlerischer Kraftakt.
So
verwendet sie in
ihrer Inszenierung Ausschnitte aus dem Libretto des besagten "Ballet"
von
Isaac de Benserade (1612-1691), folgt der Dichtung und seiner
Dramaturgie und kombiniert diesen Text
passgerecht mit Charles
Baudelaires Prosadichtung "Abenddämmerung" von 1869.
Als
eine Art
musikalisches Vlies greift sie auf eine Einspielung des
französischen
Musikologen, Dirigenten und
Musikers Sébastien Daucé zurück, der
mit seinem "Ensemble Correspondances" die damalige
Instrumental- und
Vokalmusik unter dem Titel "Le Concert Royal
de la Nuit" rekonstruiert hat.
Bettina
Rutsch:
"Eine Musik von atemberaubender Schönheit, voller Spannung und
geschaffen für den Tanz."
Zu Dichtung und Musik kreiert sie
eine barock-anmutende bis zeitgenössische Choreografie, die
von vier
Videosequenzen, produziert vom Essener "Visual Artist"
Sebastian Wolf, seriell unterbrochen wird.
Schließlich
steuert
die Kostümdesignerin Anna Termöhlen
äußerst variantenreich ein
schwarzes Tanztrikot,
einen weißen Kragenmantel, ein
hell-transparentes Oberteil sowie Federkopfschmuck, Lederschurz und
Pluderärmel bei. Zusammen reflektiert und kommentiert das
inszenierte Genre- und Media-Mix die Handlung der
erzählten
Barock-Geschichte von der Abend- bis zur Morgendämmerung: "Es
ist die Zeit der Sehnsüchte,
Verlockungen und rauschenden Feste, der
Liebe und der Lust und ebenso der Ängste und tagsüber
verdrängten
Sorgen", so Rutsch.
So
entstehen
faszinierende Szenenbilder aus Licht und Schatten, die vom Wechselbad
der Gefühle und der
menschlichen Leidenschaften erzählen, in deren
Zentrum der Mensch steht.
Bettina
Rutsch
versteht es vortrefflich jene menschlichen Seelen- und
Charakterzustände sprecherisch als auch
tänzerisch zum Ausdruck zu
bringen und die Zuschauer für ihr Spiel zu gewinnen und zu
begeistern.
RHEINISCHE
POST Duisburg, 11. April
2017
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Bettina
Rutschs anspruchsvolles und sehenswertes neues Tanztheaterprojekt
"Blei zu Gold" richtet seinen
inhaltlichen Fokus auf die
Zeit des 16./17. Jahrhunderts, kommt dramaturgisch aber in der
Neuzeit aus.
Ort,
Form und Inhalt vereinen sich zu einem organischen Spiel aus Musik,
Tanz, Literatur und Theater.
Damit entspricht die Inszenierung der
alchemistischen Weisheit, dass "Alles im Einen" ist. "Im
Sommer
vergangenen Jahres führte mich mein 'Shopping-Guide' in Rom
in das Labor eines leibhaftigen Alchemisten",
schreibt die
Tänzerin und Literaturperformerin Bettina Rutsch im
Programmheft zu
ihrer neuen Tanztheater-
produktion "Blei zu Gold", die am
Freitagabend im Kultur- und Stadthistorischen Museum Premiere hatte.
In
einer winzigen
Werkstatt, so Rutsch weiter, verwandelte dort ein Goldschmied
alchemistische Symbole in
multifunktionale Schmuckstücke. Eines
dieser Symbole sei die aus der antiken Mythologie stammende
Ouroboros-Schlange, die auch als kosmischer Drache bekannt ist. In
der Alchemie steht sie für den in sich
geschlossenen und wiederholt
ablaufenden Wandlungsprozess der Materie und symbolisiert die
Wiedergeburt
und damit die Unendlichkeit und Ewigkeit.
Mit
dieser
kulturphilosophischen Inspiration (und einem kleinen
Schmuckstück -
einer Kette mit Anhänger -
in der Hand), verließ Rutsch zunächst
die Goldschmiede und dann Rom, um in Duisburg wenige Tage
später
auf
dem "Platzhirsch-Festival" das Konzert "The
Stadtpfeiffers" in der St. Josef Kirche zu hören, welches vom
Duisburger Komponisten und Pianisten Hans-Joachim Heßler
entwickelt
und ausgerichtet wurde.
Das Außergewöhnliche dieser Aufführung war
und ist, dass Heßler die Musik des späten
Mittelalters, der
Renaissance und des Barock mit der von heute konfrontiert und
kombiniert.
Diese
zunächst eher
zufällige Begegnung führte bei beiden, bei Rutsch wie
bei Heßler,
aber zu dem
unaufhaltsamen Willen, die Philosophie und Literatur
sowie die Musik jener Zeit zu einem Gesamtkunstwerk zu
vereinen.
Rutsch, die in der "Blei zu Gold"-Produktion für
Inszenierung, Choreografie und Darstellung
verantwortlich ist,
brachte dafür Anna Termöhlen für
Kostümdesign und Dominyk Salenga
für Lichtdesign und
Lichttechnik sowie den bildenden Künstler
Martin Schmitz für Lichtobjekte mit, während
Heßler, der das
Kompositionswerk schuf und das Pianospiel übernahm, Petra
Naethbohm
und ihre Blockflöten nebst Barockoboe
und Oliver Birk als
Schlagzeuger und Perkussionist dazugesellte.
Verschiedene
Holzobjekte, die verborgen golden leuchteten, das Bild eines
Ouroboros ("De Lapide Philosophico"
von 1625) als Dia über
dem Instrumentarium und eine Vitrine, die ein Goldkissen sowie ein
schwarzes, ein
weißes und ein rotes Kleid beherbergten war alles,
was Rutsch im vom Geiste Gerhard Mercators bestimmten
Museum als
Bühnenraum für ihr Tanztheater benötigte.
Dazu suchte sie Texte
aus dem Neuhochdeutschen
eines Georg Füegers, Andreas Gryphius' oder
Quirinus Kuhlmanns aus, aber auch ein Sonnet von William
Shakespeare
bis hin zu zwei Gedichten von Else Lasker-Schüler und
rezitierte
diese verteilt über den Abend.
Das
Wandelbare des
Seins, genauso wie auch das Verwandelbare des Bewusstseins werden
jedoch nicht allein
nur literarisch und musikalisch in dem
"alchemistischen Projekt", wie Rutsch ihre Produktion im
Untertitel nennt,
zum Ausdruck gebracht, sondern immer wieder auch
tänzerisch bis theatralisch in Szene gesetzt.
So
gelingen der
Literaturperformerin herrliche assoziative Deutungsbilder,
unbedeutend, ob sie eine Tanzfigur
entwirft, die Balance und
Ungleichgewicht zugleich darstellt, ob sie den unteren Teil einer
Blockflöte als Fernrohr
benutzt, um in den Museumshimmel und seine
Sterne gucken zu können, oder ob sie mit dem Goldkissen auf
dem Rücken die Last und die Lust von Vermögen und
Geld gleichermaßen
thematisiert.
RHEINISCHE
POST Duisburg, 26. April
2016
Tanz,
Theater und Design: Am Wochenende feierte das neue Stück von
Bettina
Rutsch „Blei zu Gold“ im
Kultur- und Stadthistorischen Museum
Premiere. Dabei geht es um Alchemie und den Versuch, Blei in Gold
zu
verwandeln. "Genau das tun wir doch täglich: Wir versuchen
unvollkommene Zustände zu verbessern",
erklärt die Tänzerin
Bettina Rutsch. Dieser Wandel wird in einer 75-minütigen
Performance
deutlich.
Im ersten Teil des Stückes stellt Rutsch ausdrucksstark
das Chaos dar. Die Bewegungen sind schnell und
abgehackt. Immer
wieder schmeißt sie sich auf den Boden. Die Musik
für das Stück
hat der Duisburger
Pianist Hans-Joachim Heßler komponiert. Er hat
sich von der Musik der Duisburger Stadtpfeiffer aus dem
12. bis 18.
Jahrhundert inspirieren lassen und sie mit moderner Musik kombiniert.
Die Stile harmonieren nicht
immer miteinander, passen aber zur
Chaos-Thematik. Heßler wird dabei vom Schlagzeuger Oliver
Birk und
der Blockflötistin Petra Naethbohm unterstützt.
Im Laufe des Stücks
gibt’s nach dem Chaos eine Phase der Klärung und
später Platz für
die Liebe.
Das erkennt der Zuschauer auch an den Kostümen. Die
Designerin Anna Termöhlen hat drei schnittgleiche
Kleider entworfen:
Das erste ist schwarz, das zweite weiß und das dritte rot.
Diese
Farbreihenfolge hat sie
ganz bewusst gewählt, denn sie symbolisiert
die Verwandlung von Blei zu Gold. Die rote Farbe steht in der
Alchemie für das Gold. Die Kleider sind transformierbar. Immer
wieder zieht die Tänzerin die langen Ärmel aus,
knotet sie sich um
den Bauch oder um die Hüfte. Zwischendurch trägt sie
auch zwei
Kleider gleichzeitig,
eines als Oberteil, das andere als Rock. Die
Teile gehen ineinander über. So ist es auch am Endes des
Stücks.
Rutsch steht mit dem Rücken vor dem Publikum, bildet mit ihren
Armen
einen Kreis über den Kopf, umfasst
mit einer Hand die andere und
fährt mit dieser den Arm entlang. Es ähnelt dem Bild,
das ein
Projektor auf die
Wand wirft: ein Drache, der sich in den Schwanz
beißt. Mit der Rezitation des Gedichtes "Ich liebe dich" von
Else Lasker-Schüler gibt Rutsch aber Hoffnung, dass am Ende
das Gold
überwiegt. Das Publikum ist begeistert.
WESTDEUTSCHE
ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 25. April
2016
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Tanztheater
trifft auf Bildende Kunst
Bettina Rutschs neuer
Tanzabend begeisterte das zahlreich erschienene Premierenpublikum
im Lehmbruck Museum. Zwei weitere Aufführungen im
März an anderen Orten folgen.
Zusammen mit zwei
Tänzern aus Krefeld und anderen Beteiligten schuf Bettina
Rutsch eine Inszenierung,
die einem grandiosen Gesamtkunstwerk gleicht. Die Duisburger
Tänzerin, Choreographin und
Literaturperformerin, die einst Germanistik, Anglistik und Philosophie
studierte, promovierte 1998 über den
österreichischen Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Seit
1994 entwickelt sie, ob solistisch oder mit
Künstlern anderer Sparten zusammen und an
ungewöhnlichen Spielorten, teils
außergewöhnliche
Kunstproduktionen im Bereich "Tanz, Literatur, Theater", den sie stets
als Ganzes betrachtet.
Mit dem neuen Tanzabend "Der
Schlaf der Vernunft" ist ihr gemeinsam mit den anderen Beteiligten ein
grandioses Gesamtkunstwerk gelungen, das einer
szenisch-choreographischen Rauminstallation gleicht.
Denn "stille Zulieferer" dieser Produktion sind nämlich die
Skulpturen Wilhelm Lehmbrucks im gleichnamigen
Museumstrakt.
Die aus Musik, Tanztheater,
Kostüm- und Lichtdesign bestehende knapp einstündige
Inszenierung ist
raumgreifend, ja sogar raumvereinnahmend, und schafft es, das auf dem
schmalen Treppenabsatz
sitzende Publikum zum Staunen zu bringen - teils assoziativ, teils
faszinativ. Eingebunden in das Projekt
sind neben Rutsch die Tänzer und Choreographen Sabine Kreuer
und Andreas Simon aus Krefeld, der Komponist
Michael Denhoff aus Bonn und der in Köln lebende Klarinettist
David Smeyers sowie die Duisburger
Modedesignerin Anna Termöhlen und der Lichtdesigner Dominyk
Salenga, mit dem Rutsch schon seit fünf Jahren
zusammenarbeitet. Als vornehmliche Spielplattform dient die
Fläche zwischen der "Knienden", dem
"Torso der großen Stehenden" und dem "Sitzenden
Jüngling". Diese Lehmbruck-Skulpturen einerseits, wie
aber auch "Der Gestürzte" und der "Emporsteigende
Jüngling" beispielsweise andererseits, werden durch eine
klug durchdachte Illumination in die fein poetisch und sinnlich
abgestimmte Szenen-Choreografie rhythmisch
eingebunden. Somit erscheint das Thema der Inszenierung "Der Mensch im
Spannungsfeld rationaler und
irrationaler Prozesse", wie Rutsch es in ihrer Projektbeschreibung zum
Ausdruck bringt, jederzeit und
allgegenwärtig präsent.
Dramaturgisch aufgebaut ist die
Inszenierung in eine viergliedrige Szenenfolge, zu denen Denhoff drei
thematisch passende, zeitgenössische Kompositionen beisteuert,
die teils über Tonanlage ("Traumgesicht"
und "Schwarzes Ballett") eingespielt bzw. live mit einem eindringlichen
Klarinettensolo ("Morgenlied") von
David Smeyers zu Gehör gebracht werden. Als szenisches
Zwischenspiel rezitiert Rutsch einen surrealen
Text des 2001 verstorbenen rumänischen Dichters Gellu Naum
nach dem Motto "Erkenne dich selbst".
Dazu bewegt sie eine inzwischen körperausgeleerte Schubkarre
schiebend über die besagte Spielfläche.
Vom Untergang der Welt bis zu
ihrem (Wieder)Erwachen spannt sich der fesselnd vorgetragene Bilderbogen
der Aufführung. Es bleibt jedoch die Frage im
wortwörtlichen Raum: War das alles nur ein (Alb)Traum?
RHEINISCHE POST Duisburg, 7. Februar 2015
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Kunst-Kreationen in der KircheRHEINISCHE POST Duisburg, 26. November 2013
>> Video und Artikel auf www.duisburg365.de
_______________________________________ Das Gewächshaus der Löwen, "La serra dei Leoni", heißt das neue Tanz- und Theaterprojekt derGeschichten
erfinden, gegen den unerträglichen Druck des Todes, das tun
Überlebende, damit sie nicht
wahnsinnig werden. Rutsch legt ein sehr
persönliches Mosaik aus Tänzen, Musik, Texten. Sie
krempelt Ärmel
und
Hosenbeine auf und tanzt. Sie hält Positionen, die unhaltbar
scheinen, lässt
ihre Muskelanspannung sehen,
flattert, geht zu Boden, entblößt sich, wringt
sich aus. Die Doors verbreiten dazu musikalisch Endzeitstimmung.
Der Satz, der
einen Überlebenden am härtesten trifft, stammt vom
Jim Morrison, dem früh
verstorbenen
Doors-Sänger: "Es wird niemals einen anderen geben
als dich, der
die Dinge machen kann, die du machst".
Rutsch macht
ernst, zitiert aus einer alten, isländischen Saga,
bläst
dabei nacheinander sieben Lebenslichter
aus. Nach der Dunkelheit setzt sie neu
an. Sie versucht, einen Liegestuhl aufzustellen, aber der
Klappmechanismus
widersetzt sich. Sie raunzt ihren Tontechniker Guido Bleckmann an, der
gibt aus
dem
Hintergrund Hilfestellung.
Das Leben
bestehe schlicht darin, sich zu erholen, von Waschtagen und
plötzlichen Todesfällen, sagt sie aus
ihrem Liegestuhl. Dann ist es vorbei.
Applaus, Verbeugung – sie fegt von der Bühne,
lässt sich nicht mehr
herbei
klatschen. Zuschauer wollten ihr gratulieren, sie bleibt verschwunden.
Die
Leute legen ihre Blumen
auf dem Liegestuhl nieder, der einsam auf der Bühne
steht.
Beim
Rausgehen überprüfen manche Zuschauer ihr Make-Up. Im
Dunkeln sind
Tränen geflossen.
"Bettina Rutsch ist eine tiefernste, radikale
Künstlerin",
sagt Margarete Federkeil-Gaitzsch noch ganz unter
dem Eindruck der Aufführung. "Wir werden ja heutzutage rund um
die Uhr bespaßt.
Da tut es gut, jemanden
zu
sehen, der sich nicht vor dem Abgrund fürchtet."
WESTDEUTSCHE
ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 13. Januar 2013
Flut von
Motiven und Symbolen
Premiere von Bettina
Rutschs
neuem Tanztheater "La
serra dei leoni"
Kindertheater ist das überwiegende Genre, das im
Rheinhauser "KOM’MA"‑Theater, der Arbeits- und
Spielstätte
des Duisburger
"ReibeKuchenTheaters", zu Hause ist. Doch am Freitag wurde dort die
Premiere von
Bettina Rutschs neuem Tanztheater "La serra dei leoni"
geboten.
"So, wie die Geburt den Beginn des Lebens markiert, steht
der Tod für dessen Ende. Der Tod gehört also
genauso zum Leben dazu wie die
Geburt", heißt es beim niederländischen
Kinder- und Jugendtheaterautor
Ad de
Bont. Bei dem neuen Solostück von Bettina Rutsch hat man den
Eindruck, dass sie
sich von diesem
Grundgedanken hat leiten lassen, so organisch
fließen diese
zwei diametralen Lebenspole in der Inszenierung
zu‑ und ineinander. Doch die
Beschäftigung mit dem Tod ist in dieser Produktion keine
abstrakte, sondern hat
vielmehr einen wahren und tragischen Hintergrund.
"La serra dei leoni", sagt Bettina Rutsch, "heißt aus dem
Italienischen übersetzt "Das Gewächshaus der
Löwen"
und
ist der Name einer Bar in einem Ort im nördlichen Piemont ‑
meinem Urlaubsort
im Sommer 2012.
An diesem Ort hielt ich mich zu dem Zeitpunkt auf, als mein
Kollege Rolf Gildenast an seinem Urlaubsort
in Irland tödlich
verunglückte." Die promovierte Geistes‑ und
Sprachwissenschaftlerin,
Tanztheater‑Dozentin
und Lehrbeauftragte für Ästhetische Bildung, die in
der
Saison 2011/2012 zusammen mit dem Tänzer und
Tanzpädagogen Rolf Gildenast das
Shakespeare-Projekt "Mein Schatten diene mir als Spiegel" erarbeitete,
unternimmt in ihrem aktuellen Tanzstück, einer Mischung aus
Tanz, Musik,
Literatur und Theater, den
künstlerischen Versuch der "Unmöglichkeit aus dem
Leben
heraus den Tod zu verstehen".
Dazu bedient sie sich einer wahren Flut von Motiven und
Symbolen, Metaphern und Zitaten ausgehend von
Gegensätzen wie Licht und
Dunkelheit, Stille und Unruhe sowie dem Zusammenspiel der Elemente des
menschlichen Seins Feuer, Wasser, Luft und Erde. Eindrucksvoll gelingt
ihr eine
assoziative Bildsprache,
wie sie beispielsweise bei der Verwendung des erdigen
Elements Sand zum Tragen kommt: ob als Strand,
als Insel, als Spurensuche oder
die Lebensreste zusammenkehrend. Dem Toten eine Stimme mittels Texten
zu geben,
dem unbegreiflichen Gehör mittels Musik zu verschaffen, dem
Gefühl Ausdruck
mittels Bewegungen
zu verleihen, das alles gelingt Bettina Rutsch mit diesem
Abend vortrefflich.
Aber
auch
die rational nicht fassbare Lebenssituation in eine
pietätvolle
Atmosphäre zu
tauchen, haben die
Designer und Techniker für Licht und Ton (Dominyk Salenga und
Guido Bleckmann) großartig gelöst.
RHEINISCHE POST Duisburg, 13. Januar 2013
_______________________________________Shakespeare-Monolog wird von
zwei
Tänzern unterschiedlich
umgesetzt
Der
Anfang verspricht Harmonie. Ein Paar bewegt sich
elegant in einem höfischen Schreittanz.
Ein Spiegel taucht auf und wenige Gesten
machen klar: Hier geht es nicht um zwei Menschen, sondern um
die Facetten
eines einzigen.
"Mein Schatten diene mir als Spiegel" heißt das
Tanz-Stück, das Rolf Gildenast und Bettina Rutsch jetzt im
ehemaligen
evangelischen Gemeindehaus Ruhrort vorstellten. Rolf
Gildenast, ehemaliger Solotänzer bei
Bernd
Schindowski in Gelsenkirchen und Autor
von mehreren Lyrik-Bänden, und Bettina Rutsch,
Tänzerin und
promovierte
Literaturwissenschaftlerin aus Duisburg, setzen sich mit Richard III.
auseinander.
Missgestaltet, aber ganz durchdrungen vom Wunsch König zu
werden, entwickelt sich diese Figur William
Shakespeares zu einem der größten
Mordbuben der Theatergeschichte. Recht unterschiedlich sind die
tänzerischen Mittel der
beiden. Gildenast rückt den Körper mit all seinen
Leiden, seiner Kraft und
Gewalt in
den Mittelpunkt. Bettina Rutsch agiert mit eleganten Bewegungen,
formt mitunter rätselhafte Figuren.
Ein Regenschirm wird in einer intensiven
Szene zum Haus, zum Schild, zur Waffe und wohl auch zum Grab.
Hass und Schmerz
Wirken
bei Bettina Rutsch die Szenen zumeist kühl und
beherrscht, vor allem die Kälte Richards III.
herausarbeitend, lenkt Gildenast
den Blick eher auf Hässlichkeit und Schmerz. Etwa wenn er mit
einer
scharfkantigen, nicht ganz leichten Metallplatte hantiert, sie als
begehrte
Partnerin und später als
Speerspitze, die er Richtung Publikum abfeuert,
deutet.
entsteht
das Bild eines getriebenen Königs, den der Frieden langweilt
und die Ruhe
ekelt.
"Du bist so hässlich", zischt Gildenast seinem Spiegelbild zu.
Gildenast und Rutsch führen ihr Publikum durch
das ganze Haus und bauen
Stimmungen zwischen Bedrohung und Festlichkeit auf. Insgesamt ist ihnen
eine
ebenso ernsthafte wie intensive Begegnung mit menschlichen
Abgründen gelungen.
WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 16. Januar 2012
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