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2021 DER FLIEGENDE HOLLÄNDER. OPERA e MOTION II

2020 DON JUAN. OPERA e MOTION

2018 TIME DOMAIN - Ein Projekt über die Zeit

2017 DANSE DE LA NUIT 2017 - Ein barockes Tanz-Video-Theater

2016 BLEI ZU GOLD - Ein alchemistisches Projekt. Musik Tanz Theater

2015 DER SCHLAF DER VERNUNFT. Musik Tanz Theater

2013 KREATUR - Eine Schöpfungsgeschichte. Musik Tanz Theater

2013 LA SERRA DEI LEONI. Tanz Literatur Theater

2011/12 MEIN SCHATTEN DIENE MIR ALS SPIEGEL - Ein Shakespeare-Monolog für zwei aus Richard III.

     

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Tanztheater spielt den "Fliegenden Holländer"

Der Wagner-Oper nähert sich Bettina Rutsch in einem Mehrkampf aus Tanz, Theater und Schauspiel

Da kämpft eine zierliche Frau mit einem hölzernen Holm. Sie biegt und windet sich, um den Naturgewalten der
See zu trotzen. Die Tänzerin, Choreographin und Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch hat sich Richard
Wagners Oper "Der fliegende Holländer" vorgenommen. Sie greift die große Geste aus Wagners Musikdrama
auf, überrascht aber immer wieder durch Brüche und Stimmungsumschwünge. Am Samstagabend hatte ihr
Tanztheater im Auditorium der Ruhrorter Werft Ophardt Premiere.
In seinem Libretto hat Richard Wagner die eigenen Erfahrungen einer stürmischen und gefährlichen Seereise
ebenso verarbeitet wie die Erzählung "Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski" von Heinrich Heine.
Heines Text enthält zwar schon wesentliche Elemente von Wagners Handlungsstrang, ist im Tonfall aber
wesentlich lakonischer als die "romantische Oper".
Diese Fallhöhe macht sich Bettina Rutsch in ihrer Solo-Performance zunutze. Wagners Werk nähert sie sich in
einem darstellerischen Mehrkampf aus Tanz, Tanztheater und Schauspiel.

Musikalisch stützt sie sich auf Einspielungen der Oper und auf die reduzierten Klangbilder der Akkordeonistin
Ruthilde Holzenkamp. Die Musikerin skelettiert und seziert Momente aus Wagners Komposition, schafft ein
andeutungsweise maritimes Ambiente oder lässt den Balg ihres Instrumentes seufzen und pfeifen wie einen
heftigen Wind. Diese Wechsel aus großem Musikdrama und Reduktion, aus pathetischer Geste und
Zurücknahme kommentiert und erzählt die äußerst wandlungsfähige Bettina Rutsch in einem schlüssigen Bogen.
Mit selbstbewussten, schweren Schritten zeichnet sie Heines Erzähler als pfiffigen Abenteurer, springt im
nächsten Moment tief hinein in Wagners Musik, lässt sich in ihren Bewegungen nur von den Tönen antreiben und
wird im nächsten Moment zur Meerjungfrau, die ob des Treibens der Menschen nur den Kopf schütteln kann.
Dann wieder scheint sie sich in eine Marionette zu verwandeln oder wie ein verletztes Wesen nur Teile ihres
Körpers - etwa die vibrierenden Finger - bewegen zu können.

Dem hohen Ton Wagners begegnet Bettina Rutsch mit Respekt und Neugier, aber auch mit Lakonie und ironischer
Distanz. Sie schaut wie mit einer Lupe in die Konflikte und Gefühlswelten des fliegenden Holländers und seiner
Senta, geht aber immer wieder auch auf Distanz zu Wagners Figuren. Ihr ist eine persönliche und ebenso dichte
wie kurzweilige Auseinandersetzung mit einem der großen Repertoire-Stücke der Opernwelt gelungen.

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg
, 4. Oktober 2021


"Opera e Motion" als Gesamtkunstwerk

Bettina Rutsch und ihr "Fliegender Holländer" im Ophardt Auditorium in Ruhrort war eine gelungene
Verbindung von Tanz, Musik und Oper.

"Opera e Motion" hat die Duisburger Tänzerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch ihre
Veranstaltungsreihe genannt, die Literatur und Tanz, Musik und Oper miteinander verbindet. 2020 erschuf sie
zum Auftakt eine Zusammenführung der E.T.A. Hoffmann Novelle "Don Juan" mit der Mozart-Oper "Don Giovanni".
Jetzt hat sie sich die Reiseerzählung "Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski" (1834) von Heinrich
Heine und die Romantische Oper "Der fliegende Holländer" (1843) von Richard Wagner vorgenommen.
Herausgekommen ist eine Art choreografiertes Erzähltheater, das am Freitag im Ophardt Auditorium in
Duisburg-Ruhrort Premiere hatte. Die zweite und zugleich (vorerst) letzte Vorstellung fand am Samstag statt.

Rutsch taucht stets tief ein in die jeweilige Materie, liest ausgiebig die dazugehörige Primär- und
Sekundärliteratur, ergründet intensiv ihre Rezeptionsgeschichte und schält dann aus dem umfangreichen Material
einen sehr persönlichen Erzähl- und Handlungsstrang als Geschichte.
"Als Künstlerin interessiert mich vor allem, was Text und Musik mit mir zu tun haben" sagt Rutsch gegenüber
dieser Zeitung. "Dabei setze ich mich mit den Werken gründlich auseinander. Aber es bleibt immer meine
subjektive Sicht, die in der Inszenierung zum Ausdruck kommt. Zuweilen sind Entscheidungen zu treffen, Dinge
wegzulassen, um mit dem von mir gesprochenen Wort für inhaltliche Textverständlichkeit zu sorgen."
So geschehen beim "Fliegenden Holländer", der auf eine vergleichende Inhaltsanalyse zwischen dem Heine-Text
und den verschiedenen Opernlibretti die es gibt, verzichtet, aber auch auf die Vorwürfe von Antisemitismus
gegenüber Wagner und Frauenfeindlichkeit gegenüber Heine. Rutsch: "Ich beschäftige mich seit meinem elften
Lebensjahr mit Wagners Opern und seiner Person. Für das Holländer-Projekt habe ich mich mit viel Dazugehörigem
befasst. Im Ergebnis gelange ich trotz einiger Kritik an Inhalt und Aussage vom "Holländer" zu der Auffassung,
dass Heine ein großartiger Autor und Wagner ein großartiger Komponist war. Mir und meiner Inszenierung geht
es darum, den Zuschauern einen interessanten Abend zu bereiten und mein Geschichte zu erzählen."
Rutschs Geschichte ist eine Parallelerzählung des "Holländers" nach Heine und nach Wagner. Der Ich-Erzähler
Schnabelewopski berichtet im 7. Kapitel besagter Memoiren von seinem Besuch einer Theateraufführung in
Amsterdam, in der das auf einer Fabel vom "Fliegenden Holländer" (17. Jahrhundert) beruhende Stück gespielt wird.

Während auf der Bühne das Ideal der Treue bis in den Tod dargestellt wird, sucht Schnabelewopski den intimen
Kontakt zu einer schönen Holländerin im Zuschauerraum. Mit ihr verlässt er das Theater und verpasst daher den
zweiten Akt des Stückes. Erst zur Schlussszene kommt er ins Theater zurück.
Der Unterschied zu Richard Wagners Version besteht in erster Linie darin, dass Heine durch seine Rahmenhandlung
den an sich gleichverlaufenden Plot der Geschichte satirisch kommentiert und seine Interpretation der Fabel mit
einer Moral beendet. Dort heißt es: "Die Moral des Stückes ist für die Frauen, dass sie sich in Acht nehmen
müssen, keinen ,Fliegenden Holländer' zu heiraten; und wir Männer ersehen aus diesem Stücke, wie wir durch die
Weiber, im günstigsten Falle, zugrunde gehen."

Die Inszenierungskonzeption von Bettina Rutsch geht der Frage nach, ob die unsterbliche menschliche Sehnsucht
nach Erlösung im Leben oder im Tod, in der Liebe oder im Traum oder vielleicht auch nur im Theater ihre Erfüllung
finden kann. Auch wenn sie und ihre Mitstreiter auf und hinter der Bühne — Ruthilde Holzenkamp (Akkordeon),
Anna Termöhlen (Kostümdesign), Dominyk Salenga (Licht) und Pascal Haak (Ton) — das Publikum mit der
Beantwortung dieser Frage alleine lassen (wollen beziehungsweise müssen), haben sie ein äußerst
(ver)wandlungsfreudiges Spiel vor dessen Augen und Ohren aufgeführt, welches dem Ansinnen Wagners,
Theater als "großes Gesamtkunstwerk" zu begreifen, sehr nahekommt.

RHEINISCHE POST Duisburg, 5. Oktober 2021


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Bei "Don Juan" zählt das Gefühl

Die Duisburger Künstlerin Bettina Rutsch tanzt E. T. A. Hoffmanns Erzählung: Eine Begegnung mit
Mozarts Donna-Anna-Figur. Performance in der Kantine des Stadttheaters ist ein besonderes Erlebnis

Die Kaffeemaschine brummt sanft vor sich hin, durch die Milchglasfenster leuchten hin und wieder die
Scheinwerfer der Autos, die über die Moselstraße rollen. Montagabend in der Kantine des Duisburger
Stadttheaters, vom Gefühl her weder Ort noch Zeit für einen Theaterabend. Es wird ein ganz eigenes
Theatererlebnis.

"Don Juan – Opera e Motion" der Tänzerin und Choreografin Bettina Rutsch passt mit all seinen Eigenarten
hervorragend in diese seltsame Zeit der Pandemie wütet. Weg von der Gewohnheit, weg vom Inhalt, das ist die
Devise in der Kantine, denn die Handlung des gut einstündigen Abends ist eher Nebensache:
Was zählt, ist das Erlebnis - und das ist bezaubernd.
Gut 25 Besucher tummeln sich in der Theaterkantine, mit genügend Abstand und ständig mit Maske. Als alle mit
Getränken von der Bar versorgt sind, die bei "Don Juan" gefühlt Teil der Bühne ist, legt Tänzerin Bettina Rutsch
los – mit dem Kopf auf dem Tisch, umgeben von leeren Wein- und Bierflaschen. Dass sie mit diesem trostlosen
Bild die Corona-Katerstimmung der letzten Wochen und Tage passend einfängt, mag Zufall sein, veredelt den
Abend aber zusätzlich.
Die Handlung ist schnell erklärt. E. T. A. Hoffmanns Erzählung von einem begeisterten Opernfan, der Mozarts
"Don Giovanni" (spanisch: Don Juan) erlebt – in Deutschland überraschenderweise im originalen Italienisch – 
dreht sich grob um die Ausleuchtung der Rolle der Donna Anna, die plötzlich in der Loge der Hauptfigur steht.
Daraus macht die Tänzerin Bettina Rutsch ein urgewaltiges Theatererlebnis.

"Ein Erlebnis": So sehr wie dieser Ausdruck von der Werbeindustrie durch den Fleischwolf gedreht wurde, so
sehr passt er in seinem ursprünglichen Sinne auf diesen "Don Juan". Bettina Rutsch flüstert und grummelt,
erstarrt und zappelt mit allen Gliedmaßen, ist mal sie selbst und mal - in den Masken der Duisburger Designerin
Anna Termöhlen – Donna Anna oder Don Giovanni. Die Theaterkantine bebt vor lauter Kunst.

Natürlich blitzen immer wieder Themen der Originalerzählung durch den schauspielerisch-tänzerischen Schleier.
Die Werktreue, gerade Walter Benjamins "Aura"-Begriff, ist elementarer Bestandteil, aber es ist das audiovisuelle
Erlebnis, das den Besucher fesselt. Erzählung, Tanz, Mozart-Medley aus den Boxen: Mit zusammengefügten
Orchesterschnipseln wird Oper zum Popevent im besten Sinne. Vielleicht meinte Leonard Bernstein das,
als er sagte: "Mozart stays fresh".

"Mein ganzes Leben ist Musik", sagt die Bühnen-Donna-Anna passend dazu, denn die Musik ist der Star, auch
wenn der Duisburger "Don Juan" im Grunde eine Tanz-Erzählung ist. In der nüchternen Theaterkantine offenbart
die Musik des vielleicht größten Komponisten aller Zeiten eine Magie, die sie im großen Saal wahrscheinlich nicht
offenbaren könnte – eine Reduzierung auf das musikalisch Wesentliche, das jedem Besucher ganz und gar
selbst gehört. Eine uneingeschränkte Empfehlung.

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 28. Oktober 2020

Ein Maskenspiel vor Maskenpublikum

Im Duisburger Theater ging jetzt die Dreifach-Premiere von Bettina Rutschs "Don Juan"
über die Bühne.

Jetzt ist sie raus und dazu gelungen, die Dreifach-Premiere der Duisburger Tänzerin und
Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch, nachdem diese im März aufgrund von Corona abgesagt werden
musste. Doch auch jetzt ist von erhoffter Theaternormalität nichts zu spüren.
Und so musste die Premiere vom "Don Juan" nach einer Erzählung von Ernst Theodor Amadeus
(kurz: E. T. A.) Hoffmann am Montag im Duisburger Theater in der dortigen Kantine von Pächterin
Petra Grothe stattfinden. Das war zwar gewollt und ebenso eine Premiere, da an diesem Ort des
Stadttheaters bisher noch nie Tanz oder Theater oder – wie in diesem Falle – Tanztheater stattgefunden
hat. Premiere Nummer drei war dann das von Rutsch neu arrangierte Inszenierungsformat "Opera e Motion"
– eine Art Opernführer live –, das "große Opern auf kleinem Raum erzählt und ertanzt", wie Rutsch es formuliert.

Mit dem Stoff des spanischen "Don Juan" beziehungsweise italienischen "Don Giovanni", dem in der
europäischen Dichtung einzigartig vorkommenden Prototyp eines Frauenhelden, haben sich namhafte Künstler
auseinandergesetzt, darunter die Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart ("Don Giovanni", 1787) und Richard
Strauss ("Don Juan", 1889) sowie die Schriftsteller Christian Dietrich Grabbe ("Don Juan und Faust", 1828),
Ödön von Horváth ("Don Juan kommt aus dem Krieg", 1937) und Max Frisch ("Don Juan oder Die Liebe
zur Geometrie", 1953).
Neben der Vorlage von E. T. A. Hoffmanns "Don Juan. Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden
Enthusiasten zugetragen", einer romantischen Künstlernovelle von 1813, verwendet Bettina Rutsch auch kurze
Auszüge aus anderen Texten seiner sogenannten "Fantasiestücke in Callots Manier". Aus diesem Konvolut baut
sie sich geschickt ihren Spieltext, kreiert einfallsreich eine dazu passende Choreografie und fügt alles gut
durchdacht zu einer äußerst geschlossenen Inszenierung zusammen. Das Ergebnis sind drei Handlungsebenen
als Erzählstränge.
Da ist zum einen die Geschichte vom reisenden Enthusiasten, der die Darstellerin der Donna Anna in Mozarts Oper
"Don Giovanni" bewundert und verehrt. Von dieser erzählt der Reisende seinem Freund Theodor in einem Brief.
Auf der zweiten Ebene gibt es den Hoffmannschen Ich-Erzähler, jenen reisenden Enthusiasten also, der einerseits
davon berichtet, was sich in seinem Hotelzimmer ereignet, mehr noch aber was von wem an der Wirtstafel in
dem Hotel gesprochen und diskutiert wird. Diese Alltagsebene dient aber lediglich als eine Art "Kontrastmittel"
für die eher dominierende phantastische Ebene.
Denn von dieser berichtet der Erzähler andererseits davon, was er von einer Fremdenloge eines an das Hotel
grenzenden Provinztheaters aus alles sieht und sich anschließend dort beziehungsweise anderswo zuträgt.
Im dritten Erzählstrang schließlich gibt es eine Beschreibung der Opernhandlung selbst, wobei die Protagonisten
Don Giovanni (ein junger Lebemann) und Donna Anna (Tochter des Komturs und Braut von Don Ottavio) im
Vordergrund stehen, während die übrigen Hauptpersonen – Leporello (Don Giovannis Diener), Der Komtur
(Donna Annas Vater), Don Ottavio (Donna Annas Verlobter), Donna Elvira (Don Giovannis ehemalige Geliebte),
Zerlina und Masetto (ein bäuerliches Brautpaar) – nur beiläufige Erwähnung finden.
Schauspielerisch, tänzerisch und musikalisch in Szene gesetzt präsentiert sich Bettina Rutsch als wahre
Verwandlungskünstlerin: Mal ist sie Ich-Erzähler und Kellner im Hotelzimmer, mal – durch verschiedene Masken –
"Don Giovanni" und "Donna Anna", wieder ein anderes Mal ist sie Figurenspielerin mittels Flaschen von den
Tischgesprächen an der Wirtstafel im Hotel. Schlussendlich mimt sie ebenfalls maskenhaft den diabolisch-
dreinschauenden Tod und schafft damit ein besonders beeindruckendes Moment der Aufführung. Doch manchmal
sind es die eher kleinen Details am Rande, die große Ausstrahlungskraft haben, seien es die flatternden Hände
für das Herzflattern Donna Annas oder der unmissverständliche Fingerzeig des Todes als Symbol für die ablaufende
Lebenszeit Don Giovannis.
Dass diese Gesten, Posen und Bewegungen einschließlich teils außergewöhnlicher Tanzschritte und klassischer
Ballettpositionen hier zu großer nonverbaler Erzählkunst führen, verdankt das Tanztheaterstück der Solistin des
Abends, aber auch dem genialen Kostümbild der Duisburger Modedesignerin Anna Termöhlen, die Bettina Rutsch
– wie schon in fünf Produktionen zuvor – nun auch beim "Don Juan" ein erneut höchst variantenreiches und
ungeheuer verwandlungsfähiges Kostüm, einschließlich drei Masken (Don Giovanni, Donna Anna und der Tod),
entwarf und schneiderte. Das aus überwiegend Jersey, aber auch Baumwolle bestehende Hauptkleidungsstück
ist nämlich mal Bluse, mal Trägerhemdchen, mal hemdartiger Kittel und mal mit und mal ohne (schwarzem)
Kragen zu sehen.
Bei den am Montag und Dienstag gegebenen Doppelvorstellungen wegen Corona jeweils nur zugelassenen 24
Besuchern war eine große Begeisterung für die gezeigte Inszenierung zu spüren. Sie wurde seitens des
Publikums, das die rund einstündige Aufführung maskiert ansehen musste, mit langanhaltendem Schlussapplaus
zu Recht belohnt.

RHEINISCHE POST Duisburg, 29. Oktober 2020


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Performance im Lehmbruck-Museum: Physik trifft auf Poesie

Soviel vorweg: Mit der Premieren-Inszenierung "Time Domain" am Donnerstagabend im Lehmbruck Museum
schließt die Duisburger Tänzerin und Literaturperformerin Bettina Rutsch an ihre zuletzt so erfolgreichen
Tanztheaterarbeiten "Schlaf der Vernunft" (2015), "Blei zu Gold" (2016) und "Danse de la Nuit" (2017) nahtlos
an. Doch wie schon teils in den Jahren zuvor, bleibt es (leider) auch bei diesem (löblich) durch den Kulturbeirat
der Stadt Duisburg geförderten Projekt (vorerst) bei nur einer (total ausverkauften) Aufführung in der Stadt.
Diesem für alle Beteiligten (Künstler, Publikum, Förderer) unguten Tatbestand sollte die städtische
Kulturverwaltung (möglichst in Verbindung mit der Kulturpolitik) im Interesse aller einmal nachgehen.

Die mit großer Kompetenz und Leidenschaft ausgestattete Künstlerin, die seit fast 25 Jahren zahlreiche
Produktionen im Bereich Tanz, Literatur und Theater entwickelt und auf die Bühne bringt, (er)findet immer
neue interdisziplinäre Konstellationen für ihre anspruchsvollen Arbeiten. Bei "Time Domain" einem "Projekt über
die Zeit", stellt sie nun Symbiosen zwischen Architektur und Musik, Bildender Kunst und Tanz, Physik und
Poesie her und verbindet alles choreografisch zu einer szenischen Installation. In dem atriumähnlichen
Untergeschoss des Neubaus im Lehmbruck Museum hat sie die Fläche zwischen der Bodenskulptur
"War – Vietnam-Piece" von Duane Hanson und der kinetischen Plastik "Märchenrelief" von Jean Tinguely
gewählt, während die Zuschauer auf der tribünenartigen Bestufung Platz nehmen.

Und natürlich sind die Kunstwerke Gegenstand ihres Tanztheaters um Raum und Zeit. "Denn was ist Zeit?
Wer könnte das leicht und kurz erklären? Wer es denkend erfassen, um es dann in Worten auszudrücken?",
beginnt Rutsch mit den Sätzen Aurelius Augustinus (354 bis 430) zu fragen. Im Laufe des Abends spricht
Rutsch teils semiotisch vorgetragen weitere Texte, darunter von Rose Ausländer, Clemens Brentano,
Martin Heidegger, Hugo von Hofmannsthal und Günter Kunert. "Welches Jahrhundert hatten wir heute?",
fragt letzterer in seinem "Abendgedicht" (1980).

Um das und anderes zu beantworten wird die Physik, in Person von Axel Lorke, Professor für Experimentalphysik
an der Universität Duisburg-Essen, bemüht. Dieser spricht im Gegensatz zur Poesie wissenschaftlich
(und trotzdem verständlich) über unseren Erdball als Taktgeber sowie von der Umkehrbarkeit und
Unumkehrbarkeit der Zeit. Von der Architektur des Museums ergriffen und diese in Beschlag genommen agiert
das sensationell aufspielende Klarinettenduo Beate Zelinsky und David Smeyers von verschiedenen Positionen
des Atriums aus. So klingen die Werke von Nikolaus Brass oder Paul Jeanjean beispielsweise akustisch jeweils
anders. Nicht unerwähnt bleiben darf das Kostümdesign der Duisburger Modeschöpferin Anna Termöhlen, die
seit 2015 mit Rutsch zusammenarbeitet und ihr diesmal ein hellgraues Körperteil mit zwei auffälligen schwarzen
Längsstreifen entwarf.

RHEINISCHE POST Duisburg, 1. Dezember 2018


Einstündige Reise durch Zeit und Raum

Bei "Time Domain" tritt neben Bettina Rutsch auch ein Professor für Experimentalphysik auf

Im letzten Jahr ist Bettina Rutsch beim "Danse de la Nuit" der Faszination der Nacht und dem tanzenden
Sonnenkönig Ludwig XIV. gefolgt. Jetzt widmet sich die Duisburger Tänzerin, Choreographin und
Literaturwissenschaftlerin mit Texten von Augustinus und Heidegger, mit Gedichten von Rose Ausländer und
Clemens Brentano der Frage, was es mit der Zeit auf sich hat. Zur Premiere der Performance "Time Domain"
im Lehmbruck-Museum mussten zusätzliche Stühle aufgestellt werden.

Zwar fiel die Video-Installation der erkrankten Martina Pipprich aus, aber die Kunst ist hier so stark, dass
es eigentlich keiner weiteren Bilder bedarf. Die Aufführung spielt im Anbau neben einer skurril-komischen
Tinguely-Maschine, die zweimal in Bewegung gesetzt wird und damit einen eigenen Kommentar zum
Vergehen der Zeit liefert.

Das Klarinettenduo Beate Zelinsky und David Smeyers spielt stimmungsvolle Werke von Hildegard von Bingen
über Bach bis hin zu Joachim Krebs (1952-2013), die auch die Bedeutung von Pausen spürbar machen, und
Axel Lorke, Professor für Experimentalphysik an der Universität Duisburg-Essen, erklärte in anschaulichen
Bildern, wie die Zeitmessung immer genauer wurde und warum die Zeit sich nicht umdrehen lässt.

Bettina Rutsch beginnt das einstündige Nachdenken über und Eintauchen in dieses so schwierig zu fassende
Phänomen mit einem längeren philosophischen Text über die Zeit, macht spürbar, wie Vergangenheit und
Zukunft über das Jetzt verbunden sind. Ihre tänzerischen Bewegungen erinnern an ein Pendel oder ein
Zifferblatt, es gibt schnelle, mechanische Bewegungen und "Zeitlupen"-Bilder. Sie rezitiert Gedichte, die das
Nachdenken über die Zeit und die Vergänglichkeit in wunderbare Worte fassen. Bettina Rutsch legt sich auf
dunkelseidenen Tüchern zur Ruhe (Kostümdesign Anna Termöhlen), nimmt Denkerposen ein, und lässt schließlich
die Gedanken fliegen. Das Publikum folgt konzentriert. Großer Beifall.


WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 1. Dezember 2018

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Leidenschaft mit Licht und Schatten

Bettina Rutsch feierte mit ihrem neuen Tanzabend Premiere im Kindermuseum "Explorado"
am Innenhafen:
Ein faszinierender künstlerischer Kraftakt.


Es war eine Premiere - und diese in zweifacher Hinsicht: Zum einen gab es das neue Tanztheaterstück
"Danse de la Nuit 2017" von und mit Bettina Rutsch zu erleben, zum anderen den für derartige Veranstaltungen
sich gut eignenden Saal im Oberschoss des Kindermuseums Explorado am Duisburger Innenhafen zu entdecken.

Gleich dreifach gefördert - durch den Duisburger Kulturbeirat, das NRW-Kultursekretariat und das
NRW-Kulturministerium - und zweifach unterstützt - durch das Duisburger Theater und das Museum - erlebten
die aufmerksam und konzentriert das Geschehen verfolgenden Besucher die (leider nur) einzigen beiden
Aufführungen dieser Neuproduktion. Ein solch künstlerischer Kraftakt verdient wahrlich mehr Spieloptionen in
der Stadt! Bettina Rutschs Arbeitsweise war und ist nie halbherzig oder Routine. Die promovierte Duisburger
Literaturwissenschaftlerin, Tänzerin und Choreographin taucht stets ganz in die Tiefe eines Stoffes ein mit allen
ihr zur Verfügung stehenden Genremitteln: Dichtung und Musik, dazu bildende und darstellende Kunst. Diesmal
war die künstlerische Herausforderung gleich doppelt groß. Denn Hintergrund ihres Tanz-Video-Theater-Projekts
"Danse de la Nuit 2017", wie sie ihr im durchaus Wagnerischen Sinne genannte Gesamtkunstwerk bezeichnet,
ist ein berühmtes historisches "Multi-Media"-Spektakel: "Im Februar 1653 wurde im Palais du Louvre das
'Ballet Royal de la Nuict' uraufgeführt, unter Mitwirkung der größten Künstler der Zeit und Aufbietung aller
damals verfügbaren künstlerischen Mittel - Text, Musik, Tanz, Kostümgestaltung, Bühnenbild und Beleuchtung",
schreibt Bettina Rutsch im informativen Programmheft.

So verwendet sie in ihrer Inszenierung Ausschnitte aus dem Libretto des besagten "Ballet" von
Isaac de Benserade (1612-1691), folgt der Dichtung und seiner Dramaturgie und kombiniert diesen Text
passgerecht mit Charles Baudelaires Prosadichtung "Abenddämmerung" von 1869.

Als eine Art musikalisches Vlies greift sie auf eine Einspielung des französischen Musikologen, Dirigenten und
Musikers Sébastien Daucé zurück, der mit seinem "Ensemble Correspondances" die damalige Instrumental- und
Vokalmusik unter dem Titel "Le Concert Royal de la Nuit" rekonstruiert hat.

Bettina Rutsch: "Eine Musik von atemberaubender Schönheit, voller Spannung und geschaffen für den Tanz."
Zu Dichtung und Musik kreiert sie eine barock-anmutende bis zeitgenössische Choreografie, die von vier
Videosequenzen, produziert vom Essener "Visual Artist" Sebastian Wolf, seriell unterbrochen wird.

Schließlich steuert die Kostümdesignerin Anna Termöhlen äußerst variantenreich ein schwarzes Tanztrikot,
einen weißen Kragenmantel, ein hell-transparentes Oberteil sowie Federkopfschmuck, Lederschurz und
Pluderärmel bei. Zusammen reflektiert und kommentiert das inszenierte Genre- und Media-Mix die Handlung der
erzählten Barock-Geschichte von der Abend- bis zur Morgendämmerung: "Es ist die Zeit der Sehnsüchte,
Verlockungen und rauschenden Feste, der Liebe und der Lust und ebenso der Ängste und tagsüber verdrängten
Sorgen", so Rutsch.

So entstehen faszinierende Szenenbilder aus Licht und Schatten, die vom Wechselbad der Gefühle und der
menschlichen Leidenschaften erzählen, in deren Zentrum der Mensch steht.

Bettina Rutsch versteht es vortrefflich jene menschlichen Seelen- und Charakterzustände sprecherisch als auch
tänzerisch zum Ausdruck zu bringen und die Zuschauer für ihr Spiel zu gewinnen und zu begeistern.

RHEINISCHE POST Duisburg, 11. April 2017

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Alchemie trifft auf Stadtpfeifer-Musik

Bettina Rutschs anspruchsvolles und sehenswertes neues Tanztheaterprojekt "Blei zu Gold" richtet seinen
inhaltlichen Fokus auf die Zeit des 16./17. Jahrhunderts, kommt dramaturgisch aber in der Neuzeit aus.

Ort, Form und Inhalt vereinen sich zu einem organischen Spiel aus Musik, Tanz, Literatur und Theater.
Damit entspricht die Inszenierung der alchemistischen Weisheit, dass "Alles im Einen" ist. "Im Sommer
vergangenen Jahres führte mich mein 'Shopping-Guide' in Rom in das Labor eines leibhaftigen Alchemisten",
schreibt die Tänzerin und Literaturperformerin Bettina Rutsch im Programmheft zu ihrer neuen Tanztheater-
produktion "Blei zu Gold", die am Freitagabend im Kultur- und Stadthistorischen Museum Premiere hatte.

In einer winzigen Werkstatt, so Rutsch weiter, verwandelte dort ein Goldschmied alchemistische Symbole in
multifunktionale Schmuckstücke. Eines dieser Symbole sei die aus der antiken Mythologie stammende
Ouroboros-Schlange, die auch als kosmischer Drache bekannt ist. In der Alchemie steht sie für den in sich
geschlossenen und wiederholt ablaufenden Wandlungsprozess der Materie und symbolisiert die Wiedergeburt
und damit die Unendlichkeit und Ewigkeit.

Mit dieser kulturphilosophischen Inspiration (und einem kleinen Schmuckstück - einer Kette mit Anhänger - 
in der Hand), verließ Rutsch zunächst die Goldschmiede und dann Rom, um in Duisburg wenige Tage später
auf dem "Platzhirsch-Festival" das Konzert "The Stadtpfeiffers" in der St. Josef Kirche zu hören, welches vom
Duisburger Komponisten und Pianisten Hans-Joachim Heßler entwickelt und ausgerichtet wurde.
Das Außergewöhnliche dieser Aufführung war und ist, dass Heßler die Musik des späten Mittelalters, der
Renaissance und des Barock mit der von heute konfrontiert und kombiniert.

Diese zunächst eher zufällige Begegnung führte bei beiden, bei Rutsch wie bei Heßler, aber zu dem
unaufhaltsamen Willen, die Philosophie und Literatur sowie die Musik jener Zeit zu einem Gesamtkunstwerk zu
vereinen. Rutsch, die in der "Blei zu Gold"-Produktion für Inszenierung, Choreografie und Darstellung
verantwortlich ist, brachte dafür Anna Termöhlen für Kostümdesign und Dominyk Salenga für Lichtdesign und
Lichttechnik sowie den bildenden Künstler Martin Schmitz für Lichtobjekte mit, während Heßler, der das
Kompositionswerk schuf und das Pianospiel übernahm, Petra Naethbohm und ihre Blockflöten nebst Barockoboe
und Oliver Birk als Schlagzeuger und Perkussionist dazugesellte.

Verschiedene Holzobjekte, die verborgen golden leuchteten, das Bild eines Ouroboros ("De Lapide Philosophico"
von 1625) als Dia über dem Instrumentarium und eine Vitrine, die ein Goldkissen sowie ein schwarzes, ein
weißes und ein rotes Kleid beherbergten war alles, was Rutsch im vom Geiste Gerhard Mercators bestimmten
Museum als Bühnenraum für ihr Tanztheater benötigte. Dazu suchte sie Texte aus dem Neuhochdeutschen
eines Georg Füegers, Andreas Gryphius' oder Quirinus Kuhlmanns aus, aber auch ein Sonnet von William
Shakespeare bis hin zu zwei Gedichten von Else Lasker-Schüler und rezitierte diese verteilt über den Abend.

Das Wandelbare des Seins, genauso wie auch das Verwandelbare des Bewusstseins werden jedoch nicht allein
nur literarisch und musikalisch in dem "alchemistischen Projekt", wie Rutsch ihre Produktion im Untertitel nennt,
zum Ausdruck gebracht, sondern immer wieder auch tänzerisch bis theatralisch in Szene gesetzt.

So gelingen der Literaturperformerin herrliche assoziative Deutungsbilder, unbedeutend, ob sie eine Tanzfigur
entwirft, die Balance und Ungleichgewicht zugleich darstellt, ob sie den unteren Teil einer Blockflöte als Fernrohr
benutzt, um in den Museumshimmel und seine Sterne gucken zu können, oder ob sie mit dem Goldkissen auf
dem Rücken die Last und die Lust von Vermögen und Geld gleichermaßen thematisiert.

RHEINISCHE POST Duisburg, 26. April 2016

Projekt „Blei zu Gold“ zeigt getanzte Alchemie

Tanz, Theater und Design: Am Wochenende feierte das neue Stück von Bettina Rutsch „Blei zu Gold“ im
Kultur- und Stadthistorischen Museum Premiere. Dabei geht es um Alchemie und den Versuch, Blei in Gold
zu verwandeln. "Genau das tun wir doch täglich: Wir versuchen unvollkommene Zustände zu verbessern",
erklärt die Tänzerin Bettina Rutsch. Dieser Wandel wird in einer 75-minütigen Performance deutlich.
Im ersten Teil des Stückes stellt Rutsch ausdrucksstark das Chaos dar. Die Bewegungen sind schnell und
abgehackt. Immer wieder schmeißt sie sich auf den Boden. Die Musik für das Stück hat der Duisburger
Pianist Hans-Joachim Heßler komponiert. Er hat sich von der Musik der Duisburger Stadtpfeiffer aus dem
12. bis 18. Jahrhundert inspirieren lassen und sie mit moderner Musik kombiniert. Die Stile harmonieren nicht
immer miteinander, passen aber zur Chaos-Thematik. Heßler wird dabei vom Schlagzeuger Oliver Birk und
der Blockflötistin Petra Naethbohm unterstützt.
Im Laufe des Stücks gibt’s nach dem Chaos eine Phase der Klärung und später Platz für die Liebe.
Das erkennt der Zuschauer auch an den Kostümen. Die Designerin Anna Termöhlen hat drei schnittgleiche
Kleider entworfen: Das erste ist schwarz, das zweite weiß und das dritte rot. Diese Farbreihenfolge hat sie
ganz bewusst gewählt, denn sie symbolisiert die Verwandlung von Blei zu Gold. Die rote Farbe steht in der
Alchemie für das Gold. Die Kleider sind transformierbar. Immer wieder zieht die Tänzerin die langen Ärmel aus,
knotet sie sich um den Bauch oder um die Hüfte. Zwischendurch trägt sie auch zwei Kleider gleichzeitig,
eines als Oberteil, das andere als Rock. Die Teile gehen ineinander über. So ist es auch am Endes des Stücks.
Rutsch steht mit dem Rücken vor dem Publikum, bildet mit ihren Armen einen Kreis über den Kopf, umfasst
mit einer Hand die andere und fährt mit dieser den Arm entlang. Es ähnelt dem Bild, das ein Projektor auf die
Wand wirft: ein Drache, der sich in den Schwanz beißt. Mit der Rezitation des Gedichtes "Ich liebe dich" von
Else Lasker-Schüler gibt Rutsch aber Hoffnung, dass am Ende das Gold überwiegt. Das Publikum ist begeistert.

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 25. April 2016

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Tanztheater trifft auf Bildende Kunst

Bettina Rutschs neuer Tanzabend begeisterte das zahlreich erschienene Premierenpublikum
im Lehmbruck Museum. Zwei weitere Aufführungen im März an anderen Orten folgen.

Zusammen mit zwei Tänzern aus Krefeld und anderen Beteiligten schuf Bettina Rutsch eine Inszenierung,
die einem grandiosen Gesamtkunstwerk gleicht. Die Duisburger Tänzerin, Choreographin und
Literaturperformerin, die einst Germanistik, Anglistik und Philosophie studierte, promovierte 1998 über den
österreichischen Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Seit 1994 entwickelt sie, ob solistisch oder mit
Künstlern anderer Sparten zusammen und an ungewöhnlichen Spielorten, teils außergewöhnliche
Kunstproduktionen im Bereich "Tanz, Literatur, Theater", den sie stets als Ganzes betrachtet.

Mit dem neuen Tanzabend "Der Schlaf der Vernunft" ist ihr gemeinsam mit den anderen Beteiligten ein
grandioses Gesamtkunstwerk gelungen, das einer szenisch-choreographischen Rauminstallation gleicht.
Denn "stille Zulieferer" dieser Produktion sind nämlich die Skulpturen Wilhelm Lehmbrucks im gleichnamigen
Museumstrakt.

Die aus Musik, Tanztheater, Kostüm- und Lichtdesign bestehende knapp einstündige Inszenierung ist
raumgreifend, ja sogar raumvereinnahmend, und schafft es, das auf dem schmalen Treppenabsatz
sitzende Publikum zum Staunen zu bringen - teils assoziativ, teils faszinativ. Eingebunden in das Projekt
sind neben Rutsch die Tänzer und Choreographen Sabine Kreuer und Andreas Simon aus Krefeld, der Komponist
Michael Denhoff aus Bonn und der in Köln lebende Klarinettist David Smeyers sowie die Duisburger
Modedesignerin Anna Termöhlen und der Lichtdesigner Dominyk Salenga, mit dem Rutsch schon seit fünf Jahren
zusammenarbeitet. Als vornehmliche Spielplattform dient die Fläche zwischen der "Knienden", dem
"Torso der großen Stehenden" und dem "Sitzenden Jüngling". Diese Lehmbruck-Skulpturen einerseits, wie
aber auch "Der Gestürzte" und der "Emporsteigende Jüngling" beispielsweise andererseits, werden durch eine
klug durchdachte Illumination in die fein poetisch und sinnlich abgestimmte Szenen-Choreografie rhythmisch
eingebunden. Somit erscheint das Thema der Inszenierung "Der Mensch im Spannungsfeld rationaler und
irrationaler Prozesse", wie Rutsch es in ihrer Projektbeschreibung zum Ausdruck bringt, jederzeit und
allgegenwärtig präsent.

Dramaturgisch aufgebaut ist die Inszenierung in eine viergliedrige Szenenfolge, zu denen Denhoff drei
thematisch passende, zeitgenössische Kompositionen beisteuert, die teils über Tonanlage ("Traumgesicht"
und "Schwarzes Ballett") eingespielt bzw. live mit einem eindringlichen Klarinettensolo ("Morgenlied") von
David Smeyers zu Gehör gebracht werden. Als szenisches Zwischenspiel rezitiert Rutsch einen surrealen
Text des 2001 verstorbenen rumänischen Dichters Gellu Naum nach dem Motto "Erkenne dich selbst".
Dazu bewegt sie eine inzwischen körperausgeleerte Schubkarre schiebend über die besagte Spielfläche.

Vom Untergang der Welt bis zu ihrem (Wieder)Erwachen spannt sich der fesselnd vorgetragene Bilderbogen
der Aufführung. Es bleibt jedoch die Frage im wortwörtlichen Raum: War das alles nur ein (Alb)Traum?

RHEINISCHE POST Duisburg, 7. Februar 2015

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Kunst-Kreationen in der Kirche
 
Am Anfang war das Wort, am Schluss die Musik - und dazwischen entwickelten sich höchst sinnlich-
visualisierende Kunst-Kreationen aus Musik, Tanz und Texten. Dramaturgisch das Wort-Material von
Goethe, Hölderlin, Baudelaire und anderen Dichtern intelligent von Bettina Rutsch zusammengestellt,
choreographiert und vertanzt als auch die Kompositionen von André Meisner meisterlich musikalisch zu
Gehör gebracht, entstand als Inszenierung "Kreatur. Eine Schöpfungsgeschichte", die der Frage nachgeht:
"Was ist der Mensch?". Diese erste Zusammenarbeit zwischen Rutsch und Meisner, die Klaus-Dieter
Brüggenwerth angestoßen hat, erblickte jetzt in der Karmelkirche am Innenhafen das Licht der (Kunst-)
Welt und verdient beileibe mehr als nur zwei Aufführungen.
Ihre Augen mit grellen Lidschatten als Mix zwischen Gott und Dämon geschminkt, all ihr Hab und Gut in
einer Mülltüte zu einer Erdkugel gebündelt auf Händen tragend, betritt Rutsch den Altarraum als Bühne
und heißt das Publikum im Sinne Goethes Faust "Willkommen zu dem Stern der Stunde! (...) Es wird ein
Mensch gemacht." Zeitgleich von oben auf der Orgelrampe lässt Saxophonist Meisner mit Hilfe eines
"Live Loopers" Töne und Klänge in das Kirchenschiff fließen, die denen einer ganzen Big-Band gleichkommen.
Er selbst nennt sein einzelmusikalisches Gesamtkunstprojekt "Kreatur". Konkludenter und symbiotischer
können die Voraussetzungen zum Gelingen solcher Kreationen nicht sein.
Es sind vor allem die Details, die stimmig sind und faszinieren: So beim Song "Homunculus" von Meisner,
bei dem Rutsch ein Karneval mit Mülltüten veranstaltet, in clownesken Posen eines Harlekins sich bewegend
und mit Federmaske ausgestattet; oder bei Meisners "L'Homme Machine", wo Rutsch aus dem Werk
"Der Mensch eine Maschine" von Julien Offray de La Mettrie rezitiert und tänzerisch wie beiläufig mit einem
Klopfen am Taufbecken Literatur Musik und Menschwerdung vereint
.

RHEINISCHE POST Duisburg, 26. November 2013

>> Video und Artikel auf www.duisburg365.de

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Ein Mosaik aus Tänzen, Musik und Texten

Das Gewächshaus der Löwen, "La serra dei Leoni", heißt das neue Tanz- und Theaterprojekt der
Duisburger Literaturwissenschaftlerin und Tänzerin Bettina Rutsch. Am Freitag war Premiere im
Kom’ma-Theater in Rheinhausen.


Für das Thema hat Rutsch sich nicht freiwillig entschieden. Im Sommer 2012 verunglückte der
Gelsenkirchener Tänzer Rolf Gildenast tödlich. Noch zwei Wochen zuvor war er mit ihr in der gemeinsamen
Shakespeare-Produktion "Mein Schatten diene mir als Spiegel" aufgetreten. Rutsch saß zum Zeitpunkt
seines Todes nichts ahnend mit ihrem Mann im Piemont in der kleinen Szene-Bar "La Serra dei Leoni".

Geschichten erfinden, gegen den unerträglichen Druck des Todes, das tun Überlebende, damit sie nicht
wahnsinnig werden. Rutsch legt ein sehr persönliches Mosaik aus Tänzen, Musik, Texten. Sie krempelt Ärmel
und Hosenbeine auf und tanzt. Sie hält Positionen, die unhaltbar scheinen, lässt ihre Muskelanspannung sehen,
flattert, geht zu Boden, entblößt sich, wringt sich aus. Die Doors verbreiten dazu musikalisch Endzeitstimmung.
Der Satz, der einen Überlebenden am härtesten trifft, stammt vom Jim Morrison, dem früh verstorbenen
Doors-Sänger: "Es wird niemals einen anderen geben als dich, der die Dinge machen kann, die du machst".

Rutsch macht ernst, zitiert aus einer alten, isländischen Saga, bläst dabei nacheinander sieben Lebenslichter
aus. Nach der Dunkelheit setzt sie neu an. Sie versucht, einen Liegestuhl aufzustellen, aber der
Klappmechanismus widersetzt sich. Sie raunzt ihren Tontechniker Guido Bleckmann an, der gibt aus dem
Hintergrund Hilfestellung.

Das Leben bestehe schlicht darin, sich zu erholen, von Waschtagen und plötzlichen Todesfällen, sagt sie aus
ihrem Liegestuhl. Dann ist es vorbei. Applaus, Verbeugung – sie fegt von der Bühne, lässt sich nicht mehr
herbei klatschen. Zuschauer wollten ihr gratulieren, sie bleibt verschwunden. Die Leute legen ihre Blumen
auf dem Liegestuhl nieder, der einsam auf der Bühne steht.

Beim Rausgehen überprüfen manche Zuschauer ihr Make-Up. Im Dunkeln sind Tränen geflossen.
"Bettina Rutsch ist eine tiefernste, radikale Künstlerin", sagt Margarete Federkeil-Gaitzsch noch ganz unter
dem Eindruck der Aufführung. "Wir werden ja heutzutage rund um die Uhr bespaßt. Da tut es gut, jemanden
zu sehen, der sich nicht vor dem Abgrund fürchtet."

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 13. Januar 2013


Flut von Motiven und Symbolen

Premiere von Bettina Rutschs neuem Tanztheater "La serra dei leoni"

Kindertheater ist das überwiegende Genre, das im Rheinhauser "KOM’MA"‑Theater, der Arbeits- und Spielstätte
des Duisburger "ReibeKuchenTheaters", zu Hause ist. Doch am Freitag wurde dort die Premiere von
Bettina Rutschs neuem Tanztheater "La serra dei leoni" geboten.
"So, wie die Geburt den Beginn des Lebens markiert, steht der Tod für dessen Ende. Der Tod gehört also
genauso zum Leben dazu wie die Geburt", heißt es beim niederländischen Kinder- und Jugendtheaterautor
Ad de Bont. Bei dem neuen Solostück von Bettina Rutsch hat man den Eindruck, dass sie sich von diesem
Grundgedanken hat lei­ten lassen, so organisch fließen diese zwei diametralen Lebenspole in der Inszenierung
zu‑ und ineinander. Doch die Beschäftigung mit dem Tod ist in dieser Produktion keine abstrakte, sondern hat
vielmehr einen wahren und tragischen Hintergrund.
"La serra dei leoni", sagt Bettina Rutsch, "heißt aus dem Italienischen übersetzt "Das Gewächshaus der Löwen"
und ist der Name einer Bar in einem Ort im nördlichen Piemont ‑ meinem Urlaubsort im Sommer 2012.
An diesem Ort hielt ich mich zu dem Zeitpunkt auf, als mein Kollege Rolf Gildenast an seinem Urlaubsort
in Irland tödlich verunglückte." Die promovierte Geistes‑ und Sprachwissenschaftlerin, Tanztheater‑Dozentin
und Lehrbeauftragte für Ästhetische Bildung, die in der Saison 2011/2012 zusammen mit dem Tänzer und
Tanzpädagogen Rolf Gildenast das Shakespeare-Projekt "Mein Schatten diene mir als Spiegel" erarbeitete,
unternimmt in ihrem aktuellen Tanzstück, einer Mischung aus Tanz, Musik, Literatur und Theater, den
künstlerischen Versuch der "Unmöglichkeit aus dem Leben heraus den Tod zu verstehen".
Dazu bedient sie sich einer wah­ren Flut von Motiven und Symbo­len, Metaphern und Zitaten ausgehend von
Gegensätzen wie Licht und Dunkelheit, Stille und Unruhe sowie dem Zusammenspiel der Elemente des
menschlichen Seins Feuer, Wasser, Luft und Erde. Eindrucksvoll gelingt ihr eine assoziative Bildsprache,
wie sie beispielswei­se bei der Verwendung des erdigen Elements Sand zum Tragen kommt: ob als Strand, 
als Insel, als Spurensuche oder die Lebensreste zusammenkehrend. Dem Toten eine Stimme mittels Texten
zu geben, dem unbegreiflichen Gehör mittels Musik zu verschaffen, dem Gefühl Ausdruck mittels Bewegungen

zu verleihen, das alles gelingt Bettina Rutsch mit diesem Abend vortrefflich.

Aber auch die rational nicht fassbare Lebenssituation in eine pietätvolle Atmosphäre zu tauchen, haben die
Designer und Techniker für Licht und Ton (Dominyk Salenga und Guido Bleckmann) großartig gelöst.

RHEINISCHE POST Duisburg, 13. Januar 2013

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Hässliches Spiegelbild

Shakespeare-Monolog wird von zwei Tänzern unterschiedlich umgesetzt

Der Anfang verspricht Harmonie. Ein Paar bewegt sich elegant in einem höfischen Schreittanz.
Ein Spiegel taucht auf und wenige Gesten machen klar: Hier geht es nicht um zwei Menschen, sondern um
die Facetten eines einzigen.
"Mein Schatten diene mir ­als Spiegel" heißt das Tanz-Stück, das Rolf Gildenast und Bettina Rutsch jetzt im
ehemaligen evangelischen Gemeindehaus Ruhrort vorstellten. Rolf Gildenast, ehemaliger Solotänzer bei
Bernd Schindowski in Gelsenkirchen und  Autor von mehreren Lyrik-Bänden, und Bettina Rutsch, Tänzerin und
promovierte Literaturwissenschaftlerin aus Duisburg, setzen sich mit Richard III. auseinander.
Missgestaltet, aber ganz durchdrungen vom Wunsch König zu werden, entwickelt sich diese Figur William
Shakespeares zu einem der größten Mordbuben der Theatergeschichte. Recht unterschiedlich sind die
tänzerischen Mittel der beiden. Gildenast rückt den Körper mit all seinen Leiden, seiner Kraft und Gewalt in
den Mittelpunkt. Bettina Rutsch agiert mit eleganten Bewegungen, formt mitunter rätselhafte Figuren.
Ein Regenschirm wird in einer intensiven Szene zum Haus, zum Schild, zur Waffe und wohl auch zum Grab.

Hass und Schmerz

Wirken bei Bettina Rutsch die Szenen zumeist kühl und beherrscht, vor allem die Kälte Richards III.
herausarbeitend, lenkt Gildenast den Blick eher auf Hässlichkeit und Schmerz. Etwa wenn er mit einer
scharfkantigen, nicht ganz leichten Metallplatte hantiert, sie als begehrte Partnerin und später als
Speerspitze, die er Richtung Publikum abfeuert, deutet.
Getragen von Musik zwischen Dowland und Bushido
entsteht das Bild eines getriebenen Königs, den der Frieden langweilt und die Ruhe ekelt.
"Du bist so hässlich", zischt Gildenast seinem Spiegelbild zu. Gildenast und Rutsch führen ihr Publikum durch
das ganze Haus und bauen Stimmungen zwischen Bedrohung und Festlichkeit auf. Insgesamt ist ihnen eine
ebenso ernsthafte wie intensive Begegnung mit menschlichen Abgründen gelungen.

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG Duisburg, 16. Januar 2012

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